Vom Postinspektor zum Bankier

Der Postbeamte Gotthold Mayer entpuppt sich 1921 als begabter Bankier. Ein Lebensweg und außergewöhnliches Kapitel der Bankengeschichte.

Der Beamtensohn

Gotthold Eugen Mayer kommt am 18. Mai 1887 in einem Beamtenhaushalt zur Welt. Sein Vater Gotthilf ist Volksschulrektor in Durlach. Nach dem Besuch der Oberrealschule wird der 16-jährige Gotthold Mayer 1903 Schreibgehilfe im Postamt Flehingen, Landkreis Karlsruhe.

In den nächsten Jahren engagiert sich Mayer stark für seinen Berufsstand und wird 1920 Vorsitzender der Bezirks-Postgewerkschaft für das Land Baden. Auch seine Frau Anna Maria Magdalena hat die Post im Blut: Sie ist die Tochter eines Sergeanten und späteren Oberpostsekretärs.

Quelle: ullstein
Kinderspiel: Junge in Postbotenuniform, um 1910.

Quelle: BBBank
»Spart bei der Beamtenbank!«, heißt es im Kassenraum, 1930er Jahre.

Kleine Bezüge

Gotthold Mayer kennt die Situation vieler Beamter gut. Besonders Staatsdiener der unteren Besoldungsgruppen, etwa bei der Eisenbahn, bei der Post oder in den Schulen, kommen finanziell nur schwer über die Runden. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Bezüge gekürzt und oft verzögert ausgezahlt. Größere Anschaffungen sind für viele unmöglich, denn Beamte gelten als »nicht kreditwürdig« und kaum einer führt ein eigenes Konto. Das will Mayer ändern. Nach der Gründung der Badischen Genossenschafts-Bank 1921 entpuppt sich der Postinspektor als begabter Bankier.

Gotthold Mayers Nähe zur Post und zu Beamtenorganisationen spiegeln sich in den frühen Jahren »seiner« Badischen Genossenschafts-Bank wider. Die ist in einem kleinen Raum im Haus des Beamtenbundes untergebracht und wickelt ihre Geschäfte über das Postscheckamt Karlsruhe ab.

Von mir aus ging die Anregung, den technischen Betrieb der Bank eng an das Postscheckverfahren anzulehnen.

Gotthold Mayer über die frühen Jahre der Badischen Beamtenbank

Dienst in den Abendstunden

Gotthold Mayer, inzwischen Vater von zwei kleinen Töchtern, ist Vorstand und Geschäftsführer der Bank. Er arbeitet nach seinem Dienst bei der Post bis in die späten Abendstunden, unterstützt von einer Handvoll ehrenamtlicher Kollegen.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten tritt Mayer – der sich in den Beamtenorganisationen der Weimarer Republik stark engagierte – einer Neuorganisation im NS-Beamtenbund entgegen. Im April 1933 wird Mayer verhaftet und unter dem Vorwurf der Untreue in Haft genommen. Die Beschuldigungen erweisen sich als haltlos, doch Mayer verbringt sechs Monate im Gefängnis.

Im Mai 1935 wird er mittels des nationalsozialistischen »Paragraf 6 Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« aus politischen Gründen vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Mayer geht daraufhin nach Berlin und ist dort für die Reichszentralkasse der deutschen Beamtenbanken sowie in der Berliner Beamten-Genossenschafts-Bank tätig.

Quelle: BBBank
Das erste Büro der Badischen Beamtenbank. Die Möbel wurden günstig aus Heeresbeständen erworben.
Quelle: BBBank
Gotthold Mayer, 1960er Jahre.

45 Jahre Dienst

1945, zwölf Jahre nach seiner Verhaftung durch die Nationalsozialisten, kehrt Gotthold Mayer nach Karlsruhe zurück. Als »Gebietsfremdem« stehen ihm zunächst keine Pensionsansprüche zu, erst muss ein beamtenrechtliches Wiedergutmachungsverfahren durchlaufen werden. 1946 wird Gotthold Mayer wieder in den Vorstand der Badischen Beamtenbank berufen. Er begleitet die Nachkriegszeit, die Währungsreform, die Expansion der Bank im »Wirtschaftswunder« und die Entwicklung von der reinen Beamten- zur modernen Privatkundenbank. Im Mai 1957 wird Mayer mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet.

Als sich Gotthold Mayer 1967 mit 80 Jahren in den Ruhestand verabschiedet, ist die Badische Beamtenbank mit 135.000 Mitgliedern und 14 Zweigstellen die größte Kreditgenossenschaft in Europa. Als Ehrenvorsitzender kommt Mayer weiterhin fast täglich in sein Büro. Gotthold Mayer stirbt am 7. Februar 1970. 45 Jahre lang, davon 33 Jahre als Vorstand, prägte er das Bankhaus.